Zuneigung oder Manipulation: Kann ein Narzisst kuscheln?
Sich aneinanderkuscheln, Momente der Nähe und Geborgenheit genießen – wer sehnt sich nicht danach? Doch was, wenn der Partner narzisstische Persönlichkeitszüge aufweist? Können Narzissten, die als Inbegriff von Egozentrik gelten, echte Zuneigung beim Kuscheln zeigen?
Wer sich in einer Beziehung mit einem narzisstischen Partner befindet, stellt sich häufig die bange Frage, ob intime Handlungen und Zärtlichkeiten nur ein Mittel zum Zweck sind. Deshalb beleuchten wir hier das Wesen von Narzissten und untersuchen, welche Bedeutung das Kuscheln für sie haben kann.
Warum kuscheln Narzissten und können sie das überhaupt?
Die Persönlichkeit eines Narzissten ist durch einen Mangel an Einfühlungsvermögen gekennzeichnet, der das Verhalten und die Beziehungsgestaltung maßgeblich prägt. Es fällt ihnen schwer, die Gefühle des Gegenübers nachzuvollziehen und tiefgehende emotionale Bindungen herzustellen. Narzissten neigen dazu, den Beziehungspartner zu manipulieren und zum eigenen Vorteil auszunutzen. Gesunde Beziehungen sind von gegenseitigem Geben und Nehmen oder gelegentlich von Selbstlosigkeit zugunsten des Partners geprägt.
Narzissten blicken hingegen egozentrisch auf Partnerschaften: So nutzen sie Zärtlichkeiten häufig, um ihr Gegenüber zu manipulieren, eigene Interessen durchzusetzen und Abhängigkeiten herzustellen. Sie neigen ferner dazu, den Partner mit Liebesentzug zu bestrafen, wenn dieser den Erwartungen des Narzissten nicht entspricht. Narzissmus ist kein binäres System, sondern eine Persönlichkeitsakzentuierung, die sich in vielfältigen individuellen Facetten zeigt. Daher sind auch Narzissten grundsätzlich in der Lage, echte Zuneigung zu anderen Menschen zu empfinden, die sie etwa beim Kuscheln ausdrücken.

Partnerschaft mit Narzissten: Anzeichen und Alarmsignale
Eine Partnerschaft mit einem Narzissten stellt eine emotionale Herausforderung dar. Die narzisstischen Züge zeigen sich zumeist nicht am Anfang der Beziehung; oftmals werden sie erst nach einiger Zeit oder in bestimmten Situationen deutlich. Narzissten lassen jedoch oft ihren oberflächlichen Charme spielen, um einen potenziellen Partner zu umwerben und an sich zu binden.
Ein erstes Anzeichen ist häufig ein übersteigertes Bedürfnis nach Bewunderung und Aufmerksamkeit sowie der Drang, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Auf entsprechende Kritik reagieren Narzissten üblicherweise zurückweisend und gelegentlich mit offener Aggression.
In Beziehungen zeichnen sie sich darüber hinaus dadurch aus, dass sie versuchen, den Partner zu dominieren und – oftmals vor Freunden und/oder Kollegen – zu demütigen. Wenn sie ihre selbst gesteckten Ziele, etwa im Berufsleben, nicht erreichen, suchen Narzissten die Schuld dafür bei anderen. In solchen Situationen machen sie beispielsweise den Partner dafür verantwortlich, dass eine erhoffte Beförderung ausgeblieben ist. Dass die persönlichen Qualifikationen unzureichend sind oder ein Mitbewerber fachlich besser geeignet ist – diese Gedankengänge sind Narzissten fremd, da sie glauben, das Nonplusultra der menschlichen Entwicklung zu sein.

Was kennzeichnet die narzisstische Persönlichkeit?
Narzissmus ist mehr als ein bisschen Eitelkeit und gelegentlich überbordendes Selbstbewusstsein. Der Begriff beschreibt ein Persönlichkeitsmuster, das sich durch ein übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit auszeichnet. Nicht wenige Narzissten empfinden sich als grandios und fühlen sich ihren Mitmenschen in nahezu jeder Hinsicht überlegen. Im Alltag äußert sich der Narzissmus oft als bloßes Persönlichkeitsmerkmal, in einigen Fällen kann er jedoch die Relevanz einer psychiatrischen Erkrankung annehmen.
Das in den USA dominierende Klassifikationssystem DSM-V definiert eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) wie folgt:
- Betroffene empfinden ein grandioses Gefühl der eigenen Bedeutung: Sie übertreiben die persönlichen Leistungen und Talente und erwarten, bedingungslos anerkannt zu werden.
- Wer unter einer NPS leidet, ist eingenommen von Fantasien grenzenloser Macht und Schönheit.
- Narzissten glauben, einzigartig und besonders zu sein. Oft nehmen sie an, dass nur angesehene Personen oder Institutionen ihr Weltbild verstehen können.
- Betroffene verlangen nach übermäßiger Bewunderung durch ihre Mitmenschen.
- Narzissten stellen übertriebene Erwartungen an ihre Umwelt: So verlangen sie etwa nach bevorzugten Behandlungen oder erwarten, dass die Mitmenschen automatisch auf ihre Bedürfnisse eingehen.
- Menschen mit NPS zeigen sich ausbeuterisch in zwischenmenschlichen Beziehungen und nutzen Freunde und Partner zu ihrem eigenen Vorteil aus.
- Narzissten mangelt es an Empathie: Sie sind nicht fähig und nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu erkennen und entsprechend zu handeln.
- Betroffene sind oft neidisch auf andere Menschen oder denken grundlos, diese seien neidisch auf sie.
- Narzissten zeigen im Alltag häufig arrogante und überhebliche Verhaltensweisen.

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung kann nur ein Facharzt diagnostizieren
Obwohl es zu begrüßen ist, dass sich immer mehr Menschen mit Themen wie psychischer Gesundheit befassen, stellen laienhafte Diagnosen eine Gefahr für ein harmonisches Miteinander dar, insbesondere in Partnerschaften. Gerade auf dem Gebiet der psychiatrischen Erkrankungen, zu denen die Persönlichkeitsstörungen zählen, ist Vorsicht geboten: Die Diagnose einer klinisch relevanten NPS ist ein komplexer Prozess, der eine umfassende Anamnese und fachliche Expertise erfordert. Psychiatrische Erkrankungen sind vielschichtig und speziell Persönlichkeitsstörungen zeichnen sich durch ein breites Spektrum an Symptomen aus, die sich häufig überlappen und von Person zu Person unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Laien neigen dazu, psychische Störungen an einzelnen unliebsamen Verhaltensweisen anderer Menschen festzumachen. Dies führt zum inflationären Gebrauch von stigmatisierenden Schlagwörtern wie „Narzissmus“ oder „Psychopathie“. Dies verzerrt die Sicht auf die Realität der komplexen Störungsbilder und drängt die Betroffenen in eine Rechtfertigungshaltung.
Wenn der Partner überempfindlich auf Kritik reagiert, ständig nach Bewunderung verlangt oder manipulierend auftritt, muss daher nicht zwingend eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur oder gar eine entsprechende Persönlichkeitsstörung vorliegen.
Wer denkt, eine Partnerschaft mit einem Narzissten zu führen, sollte das störende Verhalten daher offen ansprechen. Um eine Beziehung zu retten, ist es beim Verdacht auf Narzissmus empfehlenswert, therapeutische Hilfe zu beanspruchen. Wiegelt der mutmaßlich narzisstische Partner ab oder reagiert er sogar aggressiv, so kann es ratsam sein, die Partnerschaft dauerhaft zu beenden.