Mauritius gilt als Inselparadies mit türkisfarbenem Wasser, weißen Stränden und einer faszinierenden Flora und Fauna. Doch hinter der tropischen Idylle verbirgt sich eine überraschende ökologische Besonderheit: Die Hauptinsel ist nahezu frei von Schlangen.
Während viele tropische Regionen von giftigen Reptilien bewohnt werden, stellt Mauritius eine Ausnahme dar – und das nicht ohne Grund. Die isolierte Lage im Indischen Ozean, gepaart mit intensiven menschlichen Eingriffen, hat die Artenvielfalt der Insel stark geprägt. Heute steht vor allem der Schutz der wenigen verbliebenen endemischen Schlangenarten im Fokus internationaler Naturschutzprojekte.
Ein Blick in die Vergangenheit
Bevor der Mensch Mauritius besiedelte, war die Insel ein Rückzugsort für zahlreiche endemische Tierarten, darunter viele Reptilien. Schlangen gehörten jedoch kaum zur ursprünglichen Fauna der Hauptinsel – ihre Abwesenheit lässt sich durch die isolierte Lage und das Fehlen von Landbrücken in der Erdgeschichte erklären. Erst mit der Ankunft von Seefahrern und später durch den zunehmenden Handel kamen fremde Tierarten auf die Insel, darunter auch vereinzelte Reptilien, die durch Schiffe, Pflanzentransporte oder Baumaterial eingeschleppt wurden.
Die gezielte Rodung der Wälder, der Aufbau landwirtschaftlicher Flächen und die Einfuhr von Haus- und Nutztieren führten zu einem massiven Wandel der Lebensräume, was sich auf das gesamte ökologische Gleichgewicht auswirkte. In Reiseberichten des 18. und 19. Jahrhunderts finden sich erste Hinweise auf Schlangen in bestimmten Randgebieten, wobei es sich meist um Beobachtungen auf den vorgelagerten Inseln handelte und nicht auf Mauritius selbst.
Mauritius: Kleine Vielfalt an heimischen Schlangenarten

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Mauritius beheimatet nur eine geringe Zahl ursprünglicher Schlangenarten, die zudem nicht auf der Hauptinsel selbst vorkommen. Hervorzuheben ist Casarea dussumieri, auch bekannt als Round-Island-Boa, eine faszinierende und weltweit einzigartige Art. Diese harmlose Boa besitzt eine auffällige Färbung, die sich je nach Tageszeit leicht verändert – ein Phänomen, das in der Reptilienwelt äußerst selten vorkommt. Die Tiere sind überwiegend nachtaktiv, leben versteckt in Felsspalten und ernähren sich hauptsächlich von kleinen Echsen, die ebenfalls nur auf diesen Inseln vorkommen.
Ihr Lebensraum ist extrem begrenzt: Round Island bietet ein trockenes, felsiges Ökosystem mit niedrigem Bewuchs, das durch intensive Schutzmaßnahmen renaturiert wurde. Das Überleben dieser Schlangenart hängt maßgeblich vom Erhalt dieses fragilen Habitats ab. Auf der Hauptinsel Mauritius fehlen vergleichbare Bedingungen. Zudem wurden mögliche Reptilienpopulationen durch jahrhundertelange Besiedlung und das Einschleppen von Fressfeinden wie Ratten oder Mangusten nahezu vollständig verdrängt.
Die wenigen heute bekannten Schlangenarten stellen keine Gefahr für den Menschen dar. Weder gibt es auf Mauritius Giftschlangen noch nennenswerte Populationen in bewohnten Gebieten, was die Insel zu einem der wenigen tropischen Orte mit nahezu schlangenfreiem Alltag macht.
Eingeschleppte Arten

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Durch die Kolonialisierung und den globalen Handel gelangten im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche nicht einheimische Tierarten nach Mauritius – teils unbeabsichtigt, teils gezielt eingeführt. Schlangen gehörten nicht zu den absichtlich importierten Arten, wurden jedoch in Einzelfällen vermutlich als blinde Passagiere mit Schiffsladungen oder Pflanzenmaterial auf die Insel gebracht. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Indische Krait (Bungarus), deren Vorkommen auf Mauritius nicht zweifelsfrei belegt ist, deren Einschleppung aber angesichts intensiver Handelsbeziehungen mit dem indischen Subkontinent theoretisch möglich erscheint.
Auch andere kleinere Schlangenarten könnten im Gepäck von Containerschiffen, in Holzkisten oder mit dekorativen Pflanzen auf die Insel gelangt sein. Invasive Reptilien stellen – ähnlich wie Ratten, Katzen oder Mangusten – eine ernste Gefahr für das empfindliche Inselökosystem dar. Sie bedrohen bodenbrütende Vögel, Kleinsäuger und einheimische Reptilien, die über Millionen Jahre ohne größere Fressfeinde evolvierten.
Schon eine kleine Population eingeschleppter Schlangen kann lokale Arten stark unter Druck setzen, vor allem wenn diese keine Abwehrstrategien ausgebildet haben. Bisher blieb Mauritius weitgehend von invasiven Schlangenplagen verschont, doch die Bedrohung besteht fort und erfordert kontinuierliche Kontrolle sowie präventive Maßnahmen durch Behörden und Umweltorganisationen.
Mit Liebe zur Schlange: Schutzprojekte und Erhaltungsmaßnahmen auf Mauritius

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Der Schutz der wenigen verbliebenen endemischen Schlangenarten auf Mauritius, insbesondere der Round-Island-Boa (Casarea dussumieri), zählt zu den bedeutendsten Reptilienschutzprojekten im Indischen Ozean. In den 1970er-Jahren stand diese Art kurz vor dem Aussterben. Intensive Schutzmaßnahmen, koordiniert von mauritischen Behörden in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie der Durrell Wildlife Conservation Trust, leiteten eine bemerkenswerte Wende ein.
Ein zentrales Element dieser Programme war die ökologische Sanierung von Round Island. Dort entfernte man invasive Pflanzen und eingeführte Tiere, die das empfindliche Gleichgewicht des ursprünglichen Lebensraums gefährdeten. Gleichzeitig wurden Brutprogramme etabliert, um die Bestände seltener Arten langfristig zu sichern. Heute gilt die Round-Island-Boa zwar weiterhin als gefährdet, doch ihr Bestand hat sich erholt – ein Beispiel erfolgreicher Erhaltungsarbeit.
Die kleineren Inseln rund um Mauritius spielen eine entscheidende Rolle für solche Maßnahmen. Sie dienen als geschützte Rückzugsräume für Arten, die auf der Hauptinsel keine geeigneten Bedingungen mehr finden. Diese ökologischen Inselreservate fungieren gewissermaßen als lebendige Archive ursprünglicher Biodiversität. Ihre gezielte Pflege sichert das Überleben einzelner Arten und trägt auch zum besseren Verständnis evolutiver Prozesse auf isolierten Ökosystemen bei.
Schlangen auf Mauritius: Mythen, Ängste und Realität

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Trotz der tatsächlichen Abwesenheit gefährlicher Schlangen auf Mauritius hält sich bei vielen Reisenden die Vorstellung, tropische Inseln seien generell von Reptilien bevölkert. Die Nähe zu Madagaskar oder Indien sowie Fernsehbilder anderer Regionen verstärken diese Annahme.
Auch in der lokalen Folklore tauchen gelegentlich Erzählungen über Schlangen auf, meist in symbolischer oder mythologischer Funktion. Solche Geschichten sind kulturell tief verankert, spiegeln jedoch nicht die reale Situation wider. In der Praxis ist das Risiko, einer Schlange zu begegnen, verschwindend gering. Selbst Naturwanderungen durch Waldgebiete führen kaum zu Sichtungen, was Mauritius auch für schlangenängstliche Besucher zu einem unbeschwerten Reiseziel macht.
Letzter Blick auf ein ungewöhnliches Inselerbe
Mauritius gehört zu den wenigen tropischen Regionen, in denen Schlangen kaum eine Rolle im Alltagsleben spielen. Diese Eigenheit ist historisch gewachsen und das Ergebnis gezielter Naturschutzbemühungen. Die wenigen endemischen Arten, die auf den umliegenden Inseln überlebt haben, verdienen besondere Aufmerksamkeit, denn sie stehen exemplarisch für die globale Bedeutung kleiner, isolierter Lebensräume. Wer die Natur von Mauritius erkundet, begegnet keiner Gefahr, trägt aber Verantwortung: Respektvoller Tourismus und Unterstützung von Schutzprogrammen helfen dabei, dieses fragile Erbe für kommende Generationen zu bewahren.